Warum der Fokus auf das Herz Ruhe, Klarheit und Vertrauen bringt

Aus dem Kopf, zurück in den Körper:

Wir sind eine Gesellschaft, die aus dem Kopf agiert. Die Ratio gilt der Emotion als überlegen, stärker, stabiler. Wir glauben in schwierigen Momenten dem Kopf und den Geschichten, die er uns erzählt. Dabei vergessen wir, dass unser Gehirn ein Steinzeitgehirn ist, dessen Aufgabe es jahrtausendelang war, Gefahren zu entdecken.

Damit unsere Vorfahren nicht vom Säbelzahntiger gefressen wurden, haben wir ein Hirn entwickelt, dass Situationen und Erlebnisse bewertet und potentielle Gefahren entdeckt. Deshalb ist es für uns auch viel einfacher, das Negative zu sehen; es ist potentiell gefährlicher.

Nur, heute gibt es keinen Säbelzahntiger mehr, der uns jagt. Trotzdem reagiert unser Gehirn oft so, als müssten wir davonlaufen, flüchten; insbesondere dann, wenn es eine Situation schon einmal erlebt und sie uns nicht gut getan hat (es gibt sehr viele Gründe, warum wir stark reagieren, dazu ein andermal). Kurz: Wir fühlen uns bedroht.

Nur, wenn wir zum Beispiel vor unseren Arbeitskolleg*innen oder vor unseren Eltern stehen und sie etwas sagen, das uns verletzt, nervt oder aufregt ist das zwar unangenehm; aber es ist nicht potentiell existenzbedrohend.

Trotzdem kann es sein, dass in solchen Situationen innerlich ein Abwehrmechanismus in Gang gesetzt wird. Wir wollen flüchten, unser Körper schüttet verschiedene Stoffe aus und wartet darauf, dass wir davonrennen, uns verteidigen; wir werden aufgeregt, vielleicht wütend. Je nachdem, was wir im Leben schon erlebt haben, wie wir konditioniert sind oder wie stark uns Dinge erregen, passiert ein ganzer Mechanismus an Reaktionen: Der Kopf rast, der Bauch zieht sich zusammen, unser Herz schlägt schneller.

Manchmal fühlt es sich an, als würden die Gedanken in solchen Situationen regelrecht auf uns einprasseln. Tausend Ideen zur Bewertung der Situation schiessen uns durch den Kopf. Trotzem können und sollen wir nicht jeden Gedanken sofort aussprechen und nicht wirklich davonlaufen.

Wir bräuchten einen Moment Zeit, um das, was gerade passiert ist, zu überdenken, zu sortieren und eine Entscheidung zu treffen, was es bedeutet.

Genau in diesen Momenten hilft es, kurz auf die Stopptaste zu drücken und sich aus der Situation zu entfernen, die uns gerade überfordert. Vielleicht verlassen wir kurz den Raum, gehen zur Toilette, an die frische Luft.

Wir bringen den Fokus aus dem Kopf.

Wenn wir unseren Fokus in diesen Momenten weg vom Kopf und hin zum Herz bringen, vielleicht mit einer Hand, die wir ans Herz bringen, und dabei atmen, werden wir ruhiger. Wir können in unser Herz als Ort der Klarheit und Ruhe hineinlauschen und uns fragen: War die Situation wirklich so schlimm, wie es sich gerade angefühlt hat? Ist das Misstrauen, das ich gegen mein Gegenüber hege, gerechtfertigt? Bin ich wirklich ein so schlechter Mensch, wie meine Gedanken mir das gerade sagen möchten? Oder greift die andere Person mich gerade wirklich an?

Unser Herz ist nicht nur eine Pumpe. Es verfügt über ein eigenes neuronales Netzwerk und sendet ebenso Signale an unser Gehirn, wie das Gehirn unseren Puls beschleunigt. Forschungen zeigen, dass in Momenten, in den sich das Gehirn mehr auf den Herzschlag konzentriert, es generell mehr Impulse von innen wahrnimmt, als sich auf die Reize aus dem Aussen zu fokussieren. Kurz: Der Fokus auf das Herz bringt uns zurück zu uns selbst.

Bringen wir also unseren Fokus nach innen, zu unserem Herz, können wir uns selbst das Gefühl der Sicherheit vermitteln. Sich ans Herz zu fassen, zu atmen und sich zu sagen:

«Ich bin sicher. Mir kann nichts passieren»

hilft uns dabei, uns zu entspannen und die vermeintliche Gefahr durch eine Situation von Aussen ruhiger und gelassener zu bewerten.

Das Herz ist ein symbolischer Ort für unsere Innenwelt. Wenn wir den Fokus darauf bringen und uns selbst sagen, dass wir sicher sind, werden wir wieder klarer und können aus dieser Ruhe heraus agieren. 🧡

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