Grenzen zu setzen bedingt, sich selbst zu kennen

Klare Entscheidungen statt Wackelpudding-Grenzen:

Es gibt diese Menschen, die mühelos Grenzen setzen und alles, was auch nur einen Hauch darüber hinaus geht, ignorieren oder ablehnen. Ich hingegen habe mich lange schuldig gefühlt, sobald ich Grenzen gesetzt habe. Weil ich die Reaktion der Anderen auf meine Grenze als Validierung betrachtet habe, ob diese Grenze nun in Ordnung ist. Und wenn sie meine Entscheidung hinterfragt haben, habe auch ich mich hinterfragt.

Oft habe ich dann mit aufbrausender Härte nach viel zu langem Warten eine Grenze gesetzt, die meine Gegenüber völlig irritiert hat (ich habe ja ganz lange nichts gesagt und einfach gemacht). Gleichzeitig konnten meine Mitmenschen spüren, dass ich selbst meine gerade gesetzten Grenzen oft wieder übertreten habe, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, ich «müsste» ja gewisse Dinge tun oder sei halt dafür «verantwortlich» oder es «ginge halt nicht anders».
Wenn wir ehrlich sind, war ich für meine Mitmenschen gefühlt oft eher ein grüner Wackelpudding als ein stabiles Haus.

Wackelpudding statt Haus.

Ich wirkte in meinen Grenzen nach aussen nicht klar, weil ich mich schlichtweg nicht genug selbst kannte und mir nicht genug selbst vertraute, um mich für eine Grenze zu entscheiden und dabei zu bleiben. Ich habe meiner eigenen Einschätzung der Situation und meinen eigenen Bedürfnissen oft nicht vertraut.

Da ich nun viel zu spät Grenzen gesetzt habe, war ich irgendwann wütend; wütend auch mich, wütend auf meine Mitmenschen, wütend auf das, was ich Alles zu tun habe. Mein ganzes System rebelliert in Situationen, wo ich viel zu lange Dinge tue, die nicht mehr meinen Bedürfnissen, Werten oder Ressourcen entsprechen.

Meinen eigenen Grenzen untreu.

Aber am wenigsten bin ich selbst meinen gesetzten Boundaries treu geblieben. Weil ich unsicher war, gezweifelt habe und man mir oft genug im Leben gesagt hat, dass meine persönliche Wahrnehmung nicht richtig ist.

Wenn wir im Mentoring beschliessen, deine Grenzen herauszufinden, reisen wir nach Innen. Wir fragen uns, was wir wirklich wollen und brauchen. Dann stellen wir uns vor, wie es sich anfühlt, wenn wir eine Grenze gesetzt haben. Die Zweifel, die aufkommen, betrachten wir ebenfalls. Bis wir zum Punkt kommen, wo wir innerlich die Sicherheit verspüren, dass unsere Entscheidung in diesem Moment richtig ist und wir deshalb auch eine Grenze ziehen können.

Das heisst nicht, dass wir unsere Entscheidung nicht irgendwann verändern dürfen. Aber wir entscheiden, dass die Grenze, die in diesem Moment für uns nötig ist, in diesem Moment genau richtig ist.
Wenn wir uns selbst intensiver kennen lernen, gelingt es uns immer besser, Grenzen zu setzen. Weil wir wissen, was wir wollen, was wir nicht wollen und weil wir zu uns selbst stehen können; weil wir uns so gut kennen, dass wir unsere Stärken und Schwächen kennen.
Grenzen, die aus dieser Klarheit gesetzt werden, sind sanft und ruhig. Keine Betonmauern und kein Wackelpudding. Sie sind nicht immer für alle klar, aber sie müssen auch nicht erklärt oder argumentiert werden. Sie beruhen einfach auf Entscheidungen, die wir in Ruhe und nach bestem Wissen und Gewissen für uns getroffen haben.

Sensitive Menschen brauchen Grenzen.

Insbesondere für sensitive Menschen, deren erhöhte Wahrnehmung es besonders schwierig macht, Grenzen zu wahren, ist es wichtig, den Fokus von der Aussenwelt wieder zurück nach Innen zu bringen und dort Entscheidungen für klare Grenzen zu treffen. Aufgrund der vielen Informationen, die stark sensitive Menschen ständig wahrnehmen, ist es oft schwierig, eine innere Ruhe und Klarheit zu finden. Dieser Prozess braucht Übung und guten Support. Aber er ist gerade für sensitive Menschen das A und O für ein selbstbestimmtes Leben.

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